Ada - Leseprobe

11 Das Traumbuch Ich hatte es verloren. Als junges Mädchen schrieb ich jeden Tag darin. Nicht nur Träume zeichnete ich auf. Einfach alles, was mir durch den Kopf ging. Und dann, eines Tages, nach einem meiner vielen Umzüge, war es verschwunden. Weg. In den nächsten Monaten suchte ich es überall. Ich kehrte das Unterste zuoberst, durchwühlte sogar die Mülltonnen. Hatte ich es wirklich verloren? Vielleicht sogar versehentlich weggeworfen? Bei der Suche fiel mir ein Hochzeitsfoto mei- ner zweiten Ehe in die Hand. Sie war kinderlos geblieben und irgendwann gescheitert. Wie so oft war ich weiterge- zogen, um meine Zelte woanders aufzuschlagen. Eine ein- same Karawane. Ich und Ich. Dazwischen ein paar Orte. Von Trennung zu Trennung war ich mir verloren gegangen, jede Verbindung zu meiner Familie war gelöscht. Nichts war geblieben. Nichts und ein paar leere Koffer. Erinnerungen an eine Liste aus den späten Fünfzigerjahren. Ein Spiel zwischen Uschka und mir, ein Zeitvertreib unter Heranwachsenden, der immer ernster wurde. Eine von uns warf ein Wort in den Raum, die andere nahm es auf, um den Faden weiterzuspinnen. Meistens fing meine Freundin Uschka an. »Reisen.« »Paris.« »London.« »Rom.«

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